Postfordistische Guerrilla - Vom Mythos nationaler Befreiung
2. durchgesehene & ergänzte Auflage, 1999 29,80 DM (ab 1.1.2002 16 Euro)

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Postfordistische Guerrilla

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Postfordistische Guerrilla

Vom Mythos nationaler Befreiung


Guerrilla heißt auf spanisch ursprünglich kleiner Krieg, kommt von Guerra und nicht von Gorilla und ist ein anderer Name für militante, auch bewaffnet agierende Befreiungsbewegungen. Aufgrund des spanischen Wortstammes bevorzugen wir die Schreibweise mit doppeltem "r".
Postfordistische Guerrilla bedeutet, daß auch in den Zeiten des Postfordismus an vielen Orten der Welt die Gewalt der staatlichen Ordnungskräfte, Privateigentümer und Patriarchen auf bewaffnete Gegenwehr trifft. Postfordistische Guerrilla bedeutet aber auch, daß Befreiungsbewegungen Antworten finden (müssen) auf die veränderten Rahmenbedingungen.

Vom Fordismus zum Postfordismus

Im Buch beginnen wir mit einer Beschreibung der weltweiten Veränderungen seit den 70er Jahren und entwickeln unsere Analyse der postfordistischen Gesellschaftsformation. Unter Postfordismus verstehen wir diejenigen ökonomischen und politischen Prozesse, die verantwortlich sind für die Herausbildung eines neuen Gesellschaftstypus. Herausbildung verweist dabei auf die Tatsache, daß die Konturen dieses neuen Gesellschaftstypus gegenwärtig noch nicht vollständig sichtbar sind.
Weltweit werden die ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen neu ausgehandelt und ausgekämpft. Dies hat einschneidende Auswirkungen auf die ökonomischen und politischen Spielräume von Befreiungsbewegungen. Bis in die 70er existierte ein kapitalistischer Weltmarkt unter der Hegemonie der USA und in Konkurrenz dazu der RgW unter der Vorherrschaft der Sowjetunion. Im Trikont gab es Länder, die sich teilweise unabhängig von den kapitalistischen Metropolen EG, Japan und USA industrialisieren konnten. Über den RgW fand eine gerechtere Verteilung der Reichtümer statt. Das Scheitern der Sowjetunion wie auch das Einknicken der früher auf eigenständige Binnenmärkte bedachten Länder im Trikont wie etwa Algerien oder Mexiko ist nur zu verstehen vor dem Hintergrund der Umstrukturierung des kapitalistischen Weltmarktes.
Mit dem Postfordismus wird die Produktion selbst von der Tendenz her global und der nationale Rahmen hat als Steuerungsinstrument für die Ökonomie ausgedient. Politisch wird er allerdings weiterhin gebraucht, um die Rahmenbedingungen für die kapitalistische Vergesellschaftung zu gewährleisten. Gegenwärtig entstehen nationale Wettbewerbsstaaten, die die ArbeiterInnen weltweit miteinander in Konkurrenz setzen.

Nationale Befreiung in Zeiten des Postfordismus

Alle Befreiungsbewegungen mit sozialistischem Anspruch befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen kapitalistischem Weltmarkt, Rassismus, Imperialismus und Patriarchat einerseits und einer umfassenden Emanzipation andererseits. Zwischen und innerhalb der sich als sozialistisch bezeichnenden Guerrillas gibt es vielfältige und bedeutende Unterschiede: Es gibt nicht den Befreiungsnationalismus, sondern eine Reihe von Befreiungsnationalismen. Wir sehen drei Tendenzen, die sich zum Teil überschneiden und ineinander übergehen: völkische, republikanische und sozialistische Tendenzen. Befreiungsbewegungen sind durch ein je spezifisches Mischungsverhältnis dieser Tendenzen gekennzeichnet.

Nach dieser allgemeinen Einordnung folgen einige Bewegungsbeispiele aus verschiedenen Ländern (Algerien, Korsika, Mexiko, Nordirland, Baskenland,Türkisch-Kurdistan). In diesen gehen wir insbesondere folgenden Fragen nach:
* Wie reagieren Befreiungsbewegungen auf die postfordistische Umstrukturierung? Reflektieren sie diese Entwicklung überhaupt? Wird das in ihrer politischen Strategie sichtbar?
* Wie groß ist ihr jeweiliger politischer und ökonomischer Handlungsspielraum und wird dieser für einen Bruch mit den bürgerlichen Verhältnissen genutzt?
* In welche Widersprüchlichkeiten bleiben sie verstrickt? Solibewegungen und kritische Solidarität
Abschließend entwickeln wir einige Überlegungen für ein kritisches Verständnis von internationaler Solidarität. Ausgangspunkt ist für uns dabei, daß durch das Ende des RGW und die Auflösung des Fordismus eine sozialistische Befreiung im nationalen Rahmen nahezu unmöglich ist. Deshalb stellt sich grundsätzlich die Frage, ob in Kämpfen gegen koloniale oder neo-koloniale Regime nationale Volksfrontbündnisse irgendwelche Verbesserungen durchsetzen können oder ob nicht vielmehr die Orientierung auf den unmittelbaren sozialen Kämpfen liegen muß.
Die Unterstützung von Selbstorganisierung, die Absage an zentralistische Organisierung und Staatsfixierung ist in der internationalen Solidarität schwer umzusetzen. Aufgrund des Wohlstandsgefälles droht Soliaktivität in den Metropolen oft in alternative Entwicklungshilfe umzukippen. Zumindest aber wird gegenseitiges Lernen und politischer Austausch auf einer gleichberechtigten Ebene dadurch erheblich erschwert.

(Auszug aus der Einleitung des Buches)

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